Um Kindern und Jugendlichen selbst eine Stimme zu geben, wurden im Jahr 2023 am Deutschen Jugendinstitut (DJI) 54 von Armut betroffene oder bedrohte junge Menschen im Alter von 9 bis 21 Jahren zu ihren Lebenslagen und ihrem Armutsverständnis befragt: Woran zeigt sich Armut?
Die Umfrage offenbart, dass es einerseits zwar hochindividuell ist, was Kinder und Jugendliche als Mangel empfinden, dass aber besonders häufig der Bereich der sozialen Teilhabe und der Freizeit als einschränkend wahrgenommen wird. Konkret benannt werden hier Sportequipment (z.B. Fußballschuhe), der Monatsbeitrag für den Sportverein und/oder Unterhaltungselektronik wie Smartphones und Spielekonsolen genannt
Insbesondere die Lebensmittelpreise bereiten ihnen zunehmend Sorge. Essen ist ein beträchtlicher Posten im Familienbudget, bei dem die Familien offensichtlich sparen müssen. Kommen dann noch zusätzliche unvorhergesehene Kosten hinzu, gerät der Familienhaushalt aus der Balance.
Im Hinblick auf den Aufbau eines Präventionsnetzwerkes ist vor allem relevant, dass die befragten Kinder und Jugendlichen ihre Bedürfnisse zwar klar benennen können, aber gleichzeitig wenig über die grundlegende Architektur und Funktionsweise der deutschen Sozialsysteme wissen. So sind ihnen wohl einzelne Hilfen und Anlaufstellen fragmentarisch bekannt, sie können sie aber nicht in ein komplexes Hilfesysteme einordnen.
Deshalb wünschen sie sich u.a. auch, dass vor allem in der Schule mehr Wissen zur Alltagsbewältigung und Informationen zur finanziellen Selbstverwaltung vermittelt werden.
Was folgt daraus?
- Monetäre Leistungen und nicht-monetäre familienbezogene Hilfen, Infrastruktur und Unterstützungsangebote müssen zusammengedacht werden
- Familien – besonders die vulnerable Gruppe der armutsgefährdeten oder -betroffenen Familien – brauchen Lotsen, die ihnen Wege aufzeigen, wie sie Hilfe und finanzielle Leistungen bekommen können
- Die verschiedenen Hilfesysteme sollten in der Lage sein, auf Leistungen und Angebote anderer Systeme zu verweisen
- Informationsmaterialen sollten zielgruppengerecht aufbereitet sein (einfache, barrierefreie Sprache und eine am Hilfebedarf (und nicht an den Leistungen orientierte inhaltliche Struktur)
- Informationen sollten dort verfügbar sein, wo sich die Zielgruppen aufhalten: Kitas, Schulen, Jobcenter, Kinderarztpraxen, Geburtskliniken, Begegnungsstätten im Sozialraum wie Freizeit- und Jugendzentren, aber auch digitale Orte
Wenn Armutsprävention erfolgreich sein will, muss man Kinder ernst nehmen und Familien als System betrachten.
Tabea Schlimbach, Angelika Guglhör-Rudan, Laura Castiglioni,
Christina Boll: Kinderarmut, Die Perspektive von Kindern und Jugendlichen –
Schlussfolgerungen für Unterstützung